Jürgen Weis ist ein äußert vielseitig begabter und in den unterschiedlichsten künstlerischen Genres schaffender Künstler: Malerei, Grafik, Skulpturen und Bühnenbilder - ein Oeuvre, das den Betrachter staunen lässt. So verwundert es nicht, dass die Werke dieses Vielbegabten seit mehr als drei Jahren mit großem Erfolg in der Öffentlichkeit präsent sind. Seine Gemälde und Grafiken sind realistisch mit Tendenz zur expressionistischen Gestaltung. Der Künstler schöpft aus dem reichen Fundus seiner Lebensgeschichte mit all den Freuden und Schicksalsschlägen, mit den Erlebnissen in der Natur. Gedanken und Gefühle sind seinen Bildern eigen. Keine künstlerische Technik scheint ihm unbekannt zu sein. Neben Gemälden in Öl-, Acryl- und Gouache-Technik findet man auch vielseitige grafische Techniken wie Holz- und Linolschnitt, Aquarell, Pastell und Bleistiftzeichnung. Zusätzlich zu seinen zweidimensionalen Arbeiten sind seine dem humanistischen Menschenbild verpflichteten Skulpturen nicht weniger beachtenswert. Jürgen Weis gestaltet seit Jahren Figurinen für das Puppentheater. Die Palette reicht von Handpuppen über Marionetten bis Schattenfiguren und Flachmarionetten. Letztere waren 2020 bei einer Aufführung zur Beethovenehrung in Gotha zu erleben. Nicht zuletzt sind seine Bühnenbilder für das historische Ekhof-Theater auf Schloss Friedenstein zu benennen.

    Seit 1990 lebt Jürgen Weis im Landkreis Gotha. Bis 2017 war er als Depotmeister und Ausstellungsgestalter im Museum für Regionalgeschichte und dem Ekhof-Theater der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha tätig. Wir wissen: Ausstellungsgestaltung tritt hinter das Objekt zurück, aber das ausgestellte Objekt ist ohne das „In-Szene-Setzen“ nur oberflächlich für den Besucher wahrnehmbar. Jürgen Weis hat den Blick für die Objekte und den geschichtlichen Kontext, in dem sie entstanden. Das zeigten seine unzähligen Ausstellungsgestaltungen für die Stiftung Schloss Friedenstein. Bemerkenswerte freie künstlerische Arbeiten entstanden bereits in diesen Jahren, aber die neue Freiheit nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben gaben dem Schaffen einen großen Schub.

    Sein Werdegang weist schon früh in die kreative Richtung; so war die Ausbildung zum Porzellanmaler an der Porzellanmanufaktur Meißen grundlegend für seine weitere Entwicklung. Die fundamentierte Ausbildung hinterließ Spuren, war Segen und Fluch zugleich. Hier gelangte er an die Grenzen seiner

    Gestaltungsmöglichkeiten. Sein Wirken im künstlerischen Laienschaffen und die Ausbildung an der Spezialschule für Malerei und Grafik in Halle als zweiten Bildungsweg waren folgerichtig. Zehn Jahre Erfahrung als Zirkelleiter in Finsterwalde festigten Handschrift und Menschenkenntnis.

    Jürgen Weis ist wohl der Bekannteste Unbekannte in der hiesigen Kunstszene. Eine Tageszeitung stellte unter der Überschrift „Wenn stille Bilder zu erzählen haben" den Künstler als einen Mann der leisen Töne vor, der seine Motive aus dem Alltag holt und seine Porträts ohne ihr Sonntagsgesicht malt. Mit seiner zurückhaltenden Art gebraucht Jürgen Weis die Sprache der Kunst, um sich zu offenbaren. Es ist ein dem Betrachter zugewandter Dialog, der den Gesprächspartner nicht bevormundet.

    Die Bilder von Jürgen Weis sind kompakt, sie prägt ein kräftiger Strich, eine scharfe Kontur und sicher beherrschte Farbflächen. Ein anregendes Farbkonzept lässt den Betrachter in die Bildwelt einsteigen. Sein Herangehen ist die Realität mit einem sicheren Gefühl für Wesentliches und Erhaltenswertes, das den Gegenstand und das Motiv zu etwas Besonderem macht.

    Text: Helga Wilfroth

     

      Häuser und Stadtlandschaften

      Mit seinen immer wiederkehrenden Bildern der Städte und Dörfer gelingt es Jürgen Weis mit scheinbar flüchtiger Hand Orte zu charakterisieren und das Wesentliche der Bauwerke sichtbar zu machen. Die kubischen, sich aneinanderdrängenden Häuser und die stillen menschenleeren Gassen in unterschiedlichen Farbtönen erscheinen erdig und bodenständig. In der Reduktion und dem Verzicht auf alles Überflüssige haben sie ihren besonderen Reiz. Es ist ein Spiel mit der Farbe Rot, ein Spiel von Licht und Schatten, von Schönheit und Vergänglichkeit, ein Rückzugsort und schützende Hülle. Der Maler geht einen schmalen Pfad zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion.

      Landschaften

      Bilder nach der Natur waren und sind immer gestalterischer Gegenstand im Schaffen von Jürgen Weis. Es sind die Landschaften seines Lebensweges. Nach dreißig Jahren in der Region um Gotha sind es die Fluren des Gothaer Landes, die im Mittelpunkt stehen. Die neuesten Bilder gleichen einem Feuerwerk der Farben, gleichwohl welche Jahreszeit dargestellt ist. Die Struktur der Oberfläche ist gespachtelt, die Farben sind grob und plastisch aufgetragen. Acrylmalerei begünstigt dieses spontane und leidenschaftliche Arbeiten. Die Natur erscheint so voller Leben und Bewegung.

      Menschenbilder und Porträts

      Eine Serie Menschenbilder und Porträts in den unterschiedlichsten künstlerischen Techniken dominieren die Auswahl der für die Ausstellung ausgewählten Bilder. Ins Auge fällt das Selbstporträt des Künstlers. Mit schonungsloser Offenheit malt er sich, so intensiv im Ausdruck, wie ihn selbst Freunde selten zu Gesicht bekommen. Hat Jürgen Weis bereits in seiner Schnepfenthaler Ausstellung mit dem Porträt seines Künstlerfreundes Aufsehen erregt, so wird dieses Bild von ebenso starker Wirkung sein. Es ist ein Gemälde, das nicht der Sprache bedarf, denn „des Malers Sprache ist das Bild und nicht das Wort" (J.W.)

      Sowohl in den Porträts als auch in den Aktdarstellungen und figurativen Gemälden sowie Grafiken ist das Leichte und das Schwere menschlicher Existenz zu erleben. Mit einer dem Betrachter zugewandten Sprache strahlen sie eine Magie aus. Ein häufig wiederkehrendes Motiv im Schaffen von Jürgen Weis sind die doppelseitigen Gesichter - einmal in Form der „Janusköpfe" als lebensbejahend und gleichzeitig zweifelnd, zum Beispiel in einer Serie mit der Ölpastelltechnik, ein andermal eine Zweiseitigkeit mit Hilfe von Licht und Schatten. Stets steht in den Gesichtern die Frage nach dem „was wird kommen"? Der Zweifel aber auch die Hoffnung auf einen Lichtblick sind deutlich erkennbar. Ölpastellbilder sind oft die Vorarbeiten zu Gemälden und zugleich eigenständige Werke mit dem Vorteil, momentan Gesehenes und Erlebtes spontan aufs Papier zu bringen. Die von Jürgen Weis gestalteten Porträts in Ölpastell gehören weder zu den spontan entstandenen Grafiken, noch zu den Vorarbeitsskizzen. Der Maler gibt den Fantasiefiguren Leben und Gefühle. Die Farbe spielt dabei eine zentrale Rolle, gern wird das warme und anregende Rot verwendet. Es ist eine vielseitige Farbe, die in anderen Nuancen auch einen aggressiven und zerstörenden Ausdruck haben kann.

      Holzschnitte

      Holzschnitte verlangen Geduld kombiniert mit genauem und konzentriertem Arbeiten sowie ein Stilisieren und Vereinfachen. Diese Herausforderung nahm Jürgen Weis an, weil das Arbeiten in und mit Holz ihn reizte. Es entstand eine Serie von Holzschnitten, die sich erneut dem Thema Porträt und nun auch dem Thema „Starke Frauen“ widmete. Selbstbewusst und doch nicht ohne Zweifel an ihrem Tun sind diese Frauen mit den Zeichen der Vergänglichkeit dargestellt, aber ihr Stolz und ihre Hoffnung leben in den Gesichtern weiter.

      Vielseitigkeit: Skulpturen, Marionetten, Bühnenbilder

      Die Vielseitigkeit von Jürgen Weis bringt den Betrachter zum Staunen. Die Malerei und die Grafik sind wohl dominierend, aber gleichzeitig fällt die starke Affinität zwischen Malerei und Skulptur ins Auge. Die Anziehungskraft zum Dreidimensionalen äußerte sich bereits in den 1980er Jahren, nur waren weder die räumlichen noch die materiellen Voraussetzungen gegeben. Einen Ausgleich schuf die Herstellung von Handpuppen und Marionetten, deren Köpfe, Hände, Füße aus Holz und plastisch waren. Die Liebe zu den Holzpuppen führte Jürgen Weis zur Holzplastik und weiter zu kleinen Arbeiten aus Speckstein. Nach Aneignung des Handwerks und den entsprechenden räumlichen Möglichkeiten entstanden nun Skulpturen aus Betonmörtel und Alabaster. Innerhalb von kurzer Zeit fand Jürgen Weis auch in diesem Genre seinen Weg. Ähnlich seiner Malerei drücken die Skulpturen in ihrer Körperlichkeit eine Sinnlichkeit und Verletzbarkeit aus.

      Anlässlich einer Ausstellung äußerte sich Jürgen Weis: „... bei der Darstellung menschlicher Figuren sehe ich mich mit der humanistischen Tradition des 20. Jahrhunderts verbunden. Die menschlichen Gefühle sind mir besonders wichtig. Meine Arbeiten gestalte ich als Gegenpol zur hektischen Schnelllebigkeit". Seine zuletzt aus Alabaster gehauenen, sinnlichen und weiblichen Körper reihen sich nahtlos in sein gestalterisches Konzept ein.

      Großen Dimensionen ist Jürgen Weis gewachsen, was er überzeugend mit seinen Bühnenbildern für das Ekhof-Theater beweist. Hierbei muss er sich nicht nur in die Sichtweise des Künstlers, sondern auch die Betrachtungsweise der Zuschauer hineinversetzen, welche die teils mehrteiligen Bildelemente aus einem anderen Winkel im Zuschauerraum sehen. Zugleich müssen die Szenerien mit den Proportionen der Schauspieler übereinstimmen und an die Lichtverhältnisse des Theaters angepasst sein.